29. März: Miteinander oder Gegeneinander?

Über das Verhältnis von Sportjournalisten und Berliner Fußball-Proficlubs

 

"Wir müssen den gesellschaftlichen Wandel begreifen, in dem wir uns befinden", meinte gegen Ende einer spannenden Diskussion in den Räumen des Tagesspiegel der Kommunikationschef von Hertha BSC, Marcus Jung. "Ich bin Max", hatte er sich zuvor vorgestellt. "Und diesem Wandel müssen wir uns stellen. Wie können wir damit umgehen"“Jung ist gelernter Diplom-Sportlehrer und Journalist, er arbeitete u.a. für den WDR, RTL und Sky, bevor er die Seiten wechselte und beim VfB Stuttgart als Medienverantwortlicher arbeitete. Der 49-Jährige beobachtet verstärkt, dass die Recherche auf der Strecke bliebe. "Sie gehört zu den Ausnahmen journalistischer Arbeit". Stattdessen würde voneinander abgekupfert. Jung war nicht der einzige, der Spielarten des heutigen Sportjournalismus scharf kritisierte. Auch Horst Bläsig, Chefredakteur der Fußball-Woche, erinnerte daran, welcher Unfug beim letzten Trainerwechsel des 1. FC Union zu lesen gewesen sei.

 

"Recherchen werden erschwert"

Allerdings: Wie offen und offensiv gehen die Clubs mit Krisen um? Reichte eine einfache Presseerklärung des Clubs, als Jens Keller gehen musste? Christian Arbeit, Geschäftsführer Kommunikation des Zweitligisten 1. FC Union, gab zu, dass er sich in diesem Fall ein anderes Vorgehen gewünscht hätte, aber er sei natürlich weisungsgebunden. Und trotzdem: "Eigentlich brauchen wir die Medien nicht", meinte er, der als 12 –Jähriger 1986 zum ersten Mal an der Seite seines Vaters das Stadion "An der Wuhlheide" kennengelernt hatte. "Wir erreichen über unsere eigenen Kommunikationswege mehr als über die Zeitungen. Ihr macht uns zu einem Kultclub des Ostens. Unser eigenes Bild ist ein anderes." Der 1. FC Union sei ein "zugespitztes Produkt", "mainstream“"käme nicht infrage. Der kritische Diskurs fände "in der Familie" statt. Einer der leidtragenden Journalisten dieser pointierten Zuspitzung der derzeitigen Situation ist Matthias Koch. Seit zig Jahren berichtet er über den 1.FC Union. "Recherchen werden erschwert", meinte er nicht nur einmal. Während die Trainer der anderen Mannschaften für Gespräche zur Verfügung stünden, sei das bei den Berlinern die Ausnahme. Nachfragen machten häufig wenig Sinn, weil nicht zurückgerufen würde. Auch nicht von Sportdirektor Schulte. Und warum Journalisten nicht bei Fan-Treffen dabei sein dürfen, blieb vielen der mehr als 20 Teilnehmer der Diskussion ein Geheimnis.

 

Kulturwandel bei Hertha BSC

Hertha BSC schnitt bei diesen Problemen besser ab, so der Eindruck von Morgenpost Redakteur Jörn Meyn. Im Umgang mit der Presse habe es unter Marcus Jung einen "Kulturwandel" gegeben. Während früher nur Argwohn und fehlender Respekt zu spüren gewesen sei, habe sich das geändert. "Lob ja, Absolution nein", fasste er seine Beobachtungen bei der Hertha zusammen. Deutlich wurde an diesem Abend: Journalisten und Vereinsverantwortliche arbeiten weiter teilweise gegeneinander, das Miteinander fällt wegen der unterschiedlichen Interessen schwer. "Die leben doch in einer Blase", meinte am Ende ein langjähriger Beobachter der Szene und Mittelsmann relativ verbittert. Schade, dass er das nicht laut gesagt hatte. Die Veranstaltung hätte noch mehr Fahrt aufgenommen. Immerhin machte sie deutlich: Beide Seiten sind miteinander im Gespräch, so schwer das mitunter auch fällt. Und das ist wenigstens etwas.

 

Hanns Ostermann