Der 56. Jour Fixe des Verbandes der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg war nicht der erste zum Thema Doping. Dennoch brachte die Podiumsdiskussion am 11. Juli überraschende Einblicke und neue Aspekte. Vor 20 Gästen sprachen der VdSBB-Vorsitzende Hanns Ostermann und Vorstandsmitglied Johannes Nedo mit Ines Geipel, Vorsitzende des Dopingopfer-Hilfevereins, Prof. Dr. Harald Freyberger, Direktor für Psychiatrie und Psychotherapie der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, sowie Andre Keil, Doping-Experte des NDR.
Alle Gäste bedauerten, dass viele Dopingopfer ihr Schicksal verschweigen. „Nur ein Bruchteil artikuliert sich“, sagte Freyberger, der Opfer betreut. Doch es meldeten sich immer mehr Menschen, die im DDR-Leistungssport nicht nur Opfer von Doping, sondern auch von Gewalt und/oder sexuellem Missbrauch geworden sind. Freyberger: „Es ist für mich die größte Erschütterung, wie viele Menschen ganz jung massive Gewalt oder sexuelle Übergriffe erlebt haben. Dagegen ist die katholische Kirche ein Waisenknabe.“
Für Forscher und Journalisten ist die Aufarbeitung des Dopings in der DDR ein Wettlauf gegen den Kalender. Keil: „Die Zeit drängt. Viele Akten werden nach 30 Jahren turnusmäßig vernichtet.“ In letzter Zeit seien zahlreiche Dokumente zu Tage gekommen, die die Aufarbeitung erleichtern. Keil: „Die DDR-Athleten sind in den 80er Jahren knapp daran vorbeigeschrammt, mit Epo konfrontiert zu werden. Das hat mich entsetzt.“ Der ehemalige Segler plant eine weitere umfangreiche Fernseh-Dokumentation.
Für bis zu 1000 Dopingopfer ist eine Entschädigung gesetzlich geregelt. Dass das nicht ausreicht, sei klar, meinte Geipel. Sie rechnet mit bis zu 5000 Opfern, die einen Anspruch auf Entschädigung haben. „Wir sind in Sachen Aufarbeitung gerade erst am Anfang.“
Ein wichtiger Aspekt des spannenden Abends war die Doping-Prävention. Wie schwierig diese Aufgabe ist, betonte Freyberger. Milliarden seien etwa im Kampf gegen das Rauchen verbrannt worden. Einen nachhaltigen Effekt für junge Sportler sehe er nur darin, dass Zeitzeugen in die Schulen gehen und ihr Schicksal schildern. „Aber diese Offenheit haben wir noch nicht.“ Außerdem sei das Problembewusstsein in Sachen Doping nicht allzu hoch, da selbst viele Gymnasiasten Mittel einnehmen, um ihre schulischen Leistungen zu steigern.
Ronny Müller