"Mach weiter so"

Zur Verleihung des „Goldenen Bandes“ in Berlin

"In Ordnung ist sie nicht – die Welt des Sports. Sie ist es nicht und sie war es nicht“" Als André Keil, Vizepräsident des Verbandes Deutscher Sportjournalisten, zur Laudatio auf die diesjährige Gewinnerin des "Goldenen Bandes" ansetzte, war gewiss, dass es sich um keine Frau handeln würde, die sich in den schönen Ecken des Sportgeschehens bewegt. Keil zeigte auf, wie der DDR-Sport in vier Jahrzehnten zu politischen Zwecken massiv missbraucht wurde, wie die Bundesrepublik Deutschland ihrem Kontrahenten dabei in vielerlei Hinsicht nicht nachgestanden habe: "Eine geduldete und gedeckte Dopingkultur ist längst nachgewiesen". Trotz der Beweise, trotz aller Prozesse und Fakten, "an sich eine Handlungsanleitung, was im Sport nie passieren darf", habe sich wenig getan. "Bis heute wird auf die Planbarkeit von Medaillenerfolgen geschielt und die Architekten eines nachgewiesenen Missbrauchssystems sind dabei immer noch gefragt und salonfähig". Es gebe wenige Menschen, die sich mit ihrer ganzen Kraft dafür einsetzen, dass Missbrauch auch im Sport keinen Platz haben darf. "Doch Ines Geipel gehört zu diesen Menschen".

 

Ines Geipel ist eine Vorkämpferin gegen den Dopingmissbrauch und für die Unterstützung von Doping-Opfern. Opfer, zu denen sie selbst gehört, als Leistungssprinterin in der DDR während den 70er und 80er Jahren, als Mitglied der Weltrekord-Staffel beim SC Motor Jena. Opfer eines Systems der Wachstumshormone, der Schmerzmittel, des Testosterons und der anabolen Steroide. Geipel ist Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfevereins, kämpft für eine Rente für Doping-Geschädigte und setzte mit anderen im vergangenen Jahr das zweite Doping-Opferhilfegesetz durch. All dies, so Keil, "mit einer unglaublichen Anstrengung, die sie selbst oft an den Rand ihrer Kraft brachte".

 

Als Ines Geipel die Bühne betrat und die Auszeichnung von Hanns Ostermann, Vorsitzender des Verbandes der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg, entgegennahm, war es der Höhepunkt der traditionsreichen Veranstaltung, die von rbb-Sportmoderator Andreas Ulrich moderiert wurde. Eine Veranstaltung, die sich in einer oft glitzernden, von Banalitäten geprägten Sportwelt vorrangig den sozialen und politischen Aspekten des Sports gewidmet hatte. Andreas Geisel, Berliner Senator für Inneres und Sport in Berlin, erklärte das "Goldene Band" zum "Symbol für die öffentliche Würdigung für das Engagement von Sportlern", …„ich bin davon überzeugt, dass der Preis den Menschen einen Schub gegeben hat“. Zudem betonte er die Wichtigkeit des Breitensports in der Gesellschaft, gerade im Zuge der Flüchtlingsbewegung der vergangenen Jahre. "Sport ist sehr wichtig für die Integration, Sport verbindet Menschen, und was die Berliner Vereine hier geleistet haben, ist ein Applaus wert", sagte er. Zudem fördere der Sport Werte wie Fleiß, Disziplin, Umgang mit Niederlagen und Leistungsbereitschaft.

 

In einer Podiumsdiskussion sprach Buchautor und Journalist Ronny Blaschke mit Johannes Axster, Mitbegründer des weltweiten Netzwerkes Streetfootballworld und Stefan Wagner, Vorstand der HSV-Stiftung „der Hamburger Weg“. Streetfootballworld fördert soziale Projekte - zur Aufklärung über Landminen in Kambodscha oder Hilfe bei der Gewaltprävention in Kolumbien - und verknüpft sie mit dem Fußball. "Es ist etwas anderes, ob man in einem Township in einer Cityhall steht und dort versucht, ins Gespräch zu kommen oder zum Fußballspielen einlädt", sagte Axter. Um die Mittel für die Projekte bereitzustellen, will Streetfootballworld Profifußballer zur Spende von ein Prozent ihres Gehaltes überzeugen. Nach Meinung von Stefan Wagner ist soziales Engagement von Fußballern immer glaubwürdig, solange sie authentisch bleiben: "Man merkt schnell, ob es aufgesetzt ist oder einen wirklichen Hintergrund gibt“. Grundsätzlich müsse der soziale Aspekt im Fußball eine große Rolle einnehmen, "sonst geht irgendwann das verloren, was Sport eigentlich ausmacht".

 

Genau diese Gefahr liegt auch im Dopingmissbrauch. „Wir bedienen uns der Erfolge und schauen zum Schluss nicht, was dabei herauskommt“, sagte Geipel. Dabei appellierte sie nicht nur an Sport und Politik, die lange abgewehrt hätten, sondern auch an die Journalisten selbst. "Ich bedanke mich bei denen, die sich mit der Nachgeschichte des Sports auseinandersetzen", sagte sie. "Aber von 340 Journalisten hat es bisher nur einer in unser Büro geschafft." Geipel wurde für ihre Arbeit schon angeschrieen, angespuckt und zusammengeschlagen. Berührt erzählte sie von den Augenblicken, in denen sie merkt, dass sie trotzdem noch Menschen erreicht. „Sie kommen zu mir und sagen: „Vor ein paar Jahren habe ich anders gedacht, aber – mach weiter so“.

 

Text: Mattis Nothacker