Berliner Sportjournalisten in der Semperoper

Es gehört bei den Berliner Sportjournalisten zu den Traditionen, einmal im Jahr auf Tour zu gehen. Am 4. Juni rollten 35 Frauen und Männer im Luxusbus nach Dresden. Die Tour, von den Kollegen Jürgen Holz und Jörg Lubrich organisiert, entpuppte sich als Fahrt in die deutsche Geschichte. Gleich die Kutschfahrt durch Dresdens Innenstadt glich einer Show-Runde sächsischer Baukunst und deutscher Willenskraft. Wo sich vor 15 Jahren noch Müllberge türmten, lädt heute die Orangerie zum Staunen ein. Der graue, alte Speicher, in dem zu DDR-Zeiten „Waren des täglichen Bedarfs“ aufbewahrt wurden, wandelte sich zu einem Luxus-Hotel am Ufer der Elbe. Zum Mittagessen ging es am linken Elbufer entlang zum Restaurant „Elbe-Terrasse“ in Laubegast. Wir bewunderten das "Blaue Wunder" sowie die Villen auf der anderen Elbeseite, wo einst Wissenschaftler Manfred von Ardenne, Künstler Theo Adam (beide verstorben) und einige Zeit auch der heutige russische Präsident Wladimir Putin als KGB-Offizier wohnten. Nach Spargel oder Sauerbraten rollten wir zurück in die Altstadt, vorbei an einigen Bootshäusern, wo einst Ruderweltklasse-Athleten wie der Doppel-Olympiasieger und spätere Bundestrainer Dieter Grahn heranwuchsen.

Vor dem König-Johann-Denkmal und der Semperoper in Dresden
Vor dem König-Johann-Denkmal und der Semperoper in Dresden

Zerstörung und Wiederaufbau

In der Semper-Oper sorgte dann der ehemalige Architekt Berger eine Stunde für Spannung und Bewunderung. Für 250 Millionen DDR- und eine Million Westmark hoben ausschließlich sächsische Handwerker und Baubetriebe das von Gottfried Semper 1878 erbaute und am 13. Februar 1945 völlig zerstörte Gebäude in acht Jahren Bauzeit aus den Trümmern. Als Berger vom Untergang Dresdens berichtete, erinnerte ich mich, damals Erstklässler, an den Satz meiner "Mutter:"Jetzt geht Dresden kaputt." Wir wohnten 50 Kilometer von Dresden entfernt auf dem Kamm des Erzgebirges (heute Tschechien). Über den Bergen lag ein roter Feuerschein der Flammen, in denen Dresden und zahlreiche Menschen verbrannten. Heute erstrahlt die Semper-Oper in alter Schönheit. "Dieser Umstand ist einem kleinen Wunder zu verdanken", sagt Herr Berger und erklärt: "Als über den Beginn des Wiederaufbaus der Oper in den Zeitungen berichtet wurde, meldete sich bei Chefarchitekt Wolfgang Hänsch eine alte Dame. Sie behauptete, eine Enkeltochter Sempers zu sein. Sie habe noch ein paar Zeichnungen vom alten Gebäude, vielleicht können Sie etwas damit anfangen", sagte die 84-Jährige. Natürlich war Skepsis angesagt. Bei näherer Betrachtung entpuppten sich die "Zeichnungen" als Goldschatz: „Es waren die gesamten detailgenauen Unterlagen der Semper-Oper. Dadurch konnte jede Malerei, jede Säule und jeder Leuchter ganz genau nach altem Vorbild aufgebaut werden", berichtet Berger mit einer Begeisterung, der man sich kaum entziehen konnte und wollte.

Finale im Cafe Kosel

Beeindruckt spazierten wir von der Semper-Oper durch die Altstadt vorbei am berühmten aus Meißner Kacheln gestalteten Fürstenzug zur Frauen-Kirche, die erst zwei Tage nach dem letzten Bombenangriff, ausgehöhlt durch Brandbomben, einstürzte. 2005 wurde die Frauenkirche weitgehend finanziert durch Spenden wiedereröffnet. Sie ist ein Symbol der deutschen Einheit, denn die Spenden flossen aus ganz Deutschland und den USA. Auch die Fachleute

reisten aus ganz Deutschland nach Dresden, um mit ihrem Können zu helfen.

Übrigens auch Sportjournalisten spendeten für den Wiederaufbau. So kaufte unser früherer ZDF-Kollege Klaus Angermann für eine beträchtliche Summe einen Stein für das symbolträchtige Gotteshaus. Einen kurzen Besuch dieses beeindruckenden Bauwerks ließen sich die meisten Mitglieder unserer Gruppe jedenfalls nicht entgehen. Nach der Frauen-Kirche war das Ausflugsfinale im "Cafe Kosel" angesagt. Dabei trafen wir auch Eishockey-Legende Dieter Frenzel, mit dem Jörg Lubrich spannende Erinnerungen austauschte. Außerdem wurde der Lieblingskuchen jener Gräfin serviert. Kuchen? Von wegen! Die Torte mit dicker Buttercreme und dickem Marzipan-Überzeug entpuppte sich als Kalorien-Bombe. Auf dem Weg zum Bus konnten wir wenigstens ein paar Kalorien abarbeiten. Um 19.45 Uhr landeten wir dann am Berliner ZOB mit dem Gefühl, einen wirklich erlebnisreichen Tag verbracht zu haben. 

 

Text: Manne Hönel