"Nein, hier ist Holz, wie ein Stück Holz!“ So hat Jürgen Holz mit schneidender Stimme wohl schon Hunderten Anrufern seinen eigentlich simplen Nachnamen erklärt – seit 1967, jenem Jahr, in dem seine außergewöhnliche Karriere als Sportreporter begann. Als Quereinsteiger fing der gelernte Schriftsetzer und Korrektor dereinst beim „Deutschen Sportecho“ in Berlin an – in Zeiten, in denen zumindest im Osten Deutschlands eine tägliche Sportzeitung noch ordentlich Absatz fand. Seither hat Jürgen Holz nicht mehr aufgehört mit dem Schreiben. Bis heute will darauf „seine“ Zeitung „Neues Deutschland“ nicht verzichten. Seit 2010 verantwortet Jürgen Holz gemeinsam mit einem Kollegen den vielgelesenen, achtseitigen Wochenratgeber des „ND“, und auch im Sportteil hilft er regelmäßig aus – mindestens einmal pro Monat beim Sonntagsdienst und immer wieder auch mit Berichten von den Eisbären oder dem Berliner ISTAF.
Gut vorstellbar, dass er sogar am 20. August, seinem 75. Geburtstag, mal in der Redaktion am Berliner Ostbahnhof vorbeischaut: Jürgen Holz ist mit ganzem Herzen Journalist. Seine Kollegen haben das stets in kurzer Zeit erkennen können. Nach dem Volontariat steigt der ehrgeizige Jungreporter beim Sportecho schon bald zum stellvertretenden Abteilungsleiter auf. Schnell wird man auch bei “Neues Deutschland”, dem Flaggschiff der DDR-Zeitungen, auf den umtriebigen Sportschreiber aufmerksam: Kurz nachdem er 1973 ein Journalistik-Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig begonnen hat, fängt er beim Zentralorgan an – der Ritterschlag für einen Sportjournalisten im sozialistischen Teil Deutschlands.Während der Hobbyfußballer Holz abends für die Universität büffelt, macht er sich tagsüber einen Namen als Fachmann für Rudern und Ringen, später auch für Leichtathletik, Volleyball, Biathlon, Eishockey und Boxen. Der zweifache Familienvater fährt zu Europa- und Weltmeisterschaften rund um den Globus. Die engen Grenzen, die die DDR ihren Bürgern setzt, kann er in den Interflug-Maschinen mit Leichtigkeit überwinden, Seit an Seit mit den „Diplomaten im Trainingsanzug“. Ein Märchen wird wahr für einen Berliner Jungen aus einfachen Verhältnissen – die Mutter Verkäuferin, der Vater Tischler.1978 schließt er sein Studium ab und reist als Diplom-Journalist 1980 erstmals zu den Olympischen Sommerspielen von Moskau 1980, während er die Spiele von Los Angeles 1984 wegen des Boykotts der Ostblockstaaten verpasst. Eine Enttäuschung, aufgewogen von drei weiteren Spielen, die er als ND-Berichterstatter begleiten wird: In Seoul erlebt der 1988 den Olympiasieg Henry Maskes, in Albertville 1992 Gunda Niemann Eisschnelllauf-Gold, während er bei den Sommerspielen von Athen 2004 die Medaillengewinne der Kanutin Birgit Fischer beschreiben darf, die er bereits bei ihrem ersten Olympiasieg 1980 begleitet hat. Mit der Rekordolympionikin aus Brandenburg ist er bis heute befreundet. Seine Tatkraft und seine Einsatzbereitschaft weiß man auch anderswo zu schätzen. Seit Jahrzehnten wirkt Jürgen Holz als Presseverantwortlicher im Volleyballverband Berlin mit: eine Doppelfunktion, die man heutzutage vermutlich meiden würde, nicht nur wegen der journalistischen Interessenkollision, sondern vor allem, weil die vielen Artikel für die Verbandspostillen kaum etwas einbringen. Noch viel mehr hat der Verband der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg dem Ehrenamtler Jürgen Holz zu verdanken. Beim VdSBB fungierte er viele Jahre als Stellvertretender Vorsitzender an der Seite von Hanns Ostermann. Viele Feiern zur Verleihung des Goldenen Bandes der Berliner Sportjournalisten wären ohne sein Mitwirken undenkbar gewesen, ebenso die jährlichen Sommerfahrten für die älteren Kolleginnen und Kollegen, die Jürgen Holz gewissenhaft plant und abwickelt. Heute ist er Ehrenmitglied des VdSBB.
Als er 2009 bei „Neues Deutschland“ in den offiziellen Ruhestand verabschiedet wird, preist ihn der Chefredakteur Jürgen Reents in einem Goodbye-Artikel mit den Worten: „Er war der Sport!“ Wahre Worte, wenngleich „Jürgi“ vielen jungen Kollegen vor allem auch ein Vorbild gewesen ist: als wandelndes Sportkompendium (Was man im Kopf hat, muss man nicht nachschlagen!), als pedantischer Zahlenfuchs (Immer nachrechnen!), als gewissenhafter Verwalter eines riesigen Archives (unverzichtbar in den Zeiten des Analogjournalismus) und auch als unbeirrbarer Verfechter eines Sports, dem er neben aller Unterhaltung und aller Geschäftemacherei stets noch das Romantische abzugewinnen versuchte: das Ideal des sauberen Athleten, der im fairen Wettstreit selbstlos nach Ruhm und Ehre strebt. Jürgen Holz glaubt unbeirrbar an die Wirkmacht der olympischen Ideale. Über den Sport lässt er nichts kommen, außer natürlich seine Familie: Wenn seine Frau Monika, seine Töchter Katrin und Sandra, ganz besonders aber wenn seine Enkelkinder Cedric, Elina oder Matteo in der Redaktion anrufen, wird seine eindringliche Stimme plötzlich ganz hoch und weich. Koseworte fallen - das witzelnde Augenrollen seiner Großraumkollegen ist ihm dabei herzlich egal. Jürgen Holz weiß, was ihm wichtig ist: Er hat seine Prioritäten stets mit Bedacht gesetzt. Mit diesen seinen Liebsten wird er auch seinen 75. Geburtstag hoffentlich zünftig feiern. Seine Kolleginnen und Kollegen vom VdSBB gratulieren ihm dazu von ganzem Herzen!
Text: Jirka Grahl, Ressortleiter Sport bei „Neues Deutschland“