Sportfoto des Jahres: Sebastian Wells räumt ab

Sebastian Wells ist weit davon entfernt, nach den jüngsten Erfolgen abzuheben. "Das wäre Quatsch. Was sollte das auch bringen?“, fragt der 20-Jährige, der selbst sein größter Kritiker ist. Bei der Wahl zum "Sportfoto des Jahres 2016“, ausgerichtet vom Kicker-Sportmagazin und dem Verband Deutscher Sportjournalisten, räumte er groß ab und überzeugte die Jury. Sein Bild von Leichtathletik-Star Usain Bolt nach dem gewonnenen 100-Meter-Finale bei den Olympischen Spielen in Rio wurde als "Sportfoto des Jahres“ ausgezeichnet. In der Kategorie "Sport allgemein Feature“ belegte Wells zudem die ersten beiden Plätze, in der Sparte "Portfolio“ siegte er ebenfalls.

 

"Es gibt natürlich Schlimmeres, als die Erfolge bei diesem Wettbewerb. Nur weil ich da jetzt gewonnen habe, bin ich aber kein besserer Fotograf“, gibt sich Wells bescheiden. "Ich habe noch nicht viel von der Welt gesehen und brauche anderen jetzt nicht erzählen wollen, wie Fotografie funktioniert“, sagt er und erinnert sich an die Augenblicke nach den Duell der Sprint-Giganten und dem Jubel von Bolt, den auf seiner anschließenden Ehrenrunde Dutzende Fotografen begleiteten. Wells war nicht unter ihnen. Er suchte sich einen Platz im Graben zwischen Zuschauertribüne und Stadioninnenraum. Von dort fing er den Moment ein, als Bolt sich von seinen Fans feiern ließ und seine Kollegen den Augenblick für die Nachwelt festhielten.

Sebastian Wells (links) und der VdSBB-Vorsitzende Hanns Ostermann
Sebastian Wells (links) und der VdSBB-Vorsitzende Hanns Ostermann

Gutes Netzwerk,  starke Bilder und ein hohes Maß an Zuverlässigkeit

 

"In den Momenten des Fotografierens merke ich nicht, ob ein Bild besonders gut ist. Im Nachhinein war es mir relativ schnell klar. Da waren 300, 400 oder 500 Fotografen im Stadion. Im Graben war ich fast alleine – das war schon verrückt. Sascha Fromm, ein sehr netter Kollege von der Thüringer Allgemeinen Zeitung, stand fünf Meter neben mir. Sein Bild ist aus einer etwas schrägeren Perspektive“, berichtet Wells von dem Abend des 14. August unter dem klaren Nachthimmel von Rio. Beim Lockenkopf, der in Königs Wusterhausen geboren ist und bis zu seinem zehnten Lebensjahr in Eichwalde (Landkreis Dahme-Spreewald) wohnte, zeigte sich die Begeisterung für die Arbeit mit der Kamera ("Man eignet sich Momente an, bei denen man sonst nur zusieht und sie vergehen.“) schon früh. Mit wie viel Leidenschaft er die Fotografie betreibt, spürt man in seinen Bildern und Aussagen.

In jungen Jahren schoss er Fotos vor allem zu Dokumentationszwecken, hat Wetteraufzeichnungen gemacht und dafür Wolkenformationen abgelichtet. Zur Sportfotografie kam er erst später. "Ich war selbst Sportler, habe Leichtathletik gemacht. Nach der 9. Klasse war ich aber nur noch verletzt, zudem magersüchtig. Dann habe ich angefangen bei Leichtathletik-Veranstaltungen zu fotografieren. Da diese oft nicht in der Nähe waren, bin ich mal zum Fußball und habe da fotografiert“, beschreibt Wells seinen Werdegang. In der Zeitschrift Fußball-Woche wurden seine ersten Schnappschüsse abgedruckt. In der Folge erarbeitete er sich schon als Schüler ein gutes Netzwerk, überzeugte durch starke Bilder und ein hohes Maß an Zuverlässigkeit.

 

"Sportfotografie ist nicht der Nabel der Fotografie"

 

Inzwischen fühlt er sich in der Hauptstadt, in der er seit zehn Jahren lebt, bei allen Sportarten heimisch. Basketball, Handball, Volleyball, Leichtathletik – einen Favoriten hat der Student der sehr renommierten Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin-Weißensee, an der er seit zwei Jahren studiert, unter den Sportarten nicht.  Auf dem Weg zu einem fertig ausgebildeten Fotografen ist er, der sich und seinen Berufskollegen aufgrund der kaum geregelten Arbeitszeiten ein gewisses "Selbstausbeutungsphänomen“ zuschreibt, aber noch lange nicht am Ende. "Sportfotografie ist nicht der Nabel der Fotografie. Es gibt mit der Kamera noch viel mehr zu entdecken“, meint er und macht vermehrt Bilder außerhalb der Stadien und Hallen in Deutschland. Die Gier von Wells nach einzigartigen Bildern ist noch lange nicht gestillt. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis der ehrgeizige junge Mann die nächsten Preise einheimst.

 

Text:  Mirko Jablonowski (mit freundlicher Genehmigung der Märkischen Allgemeinen)